Kasseler Erklärung
Kasseler Erklärung, beschlossen von der Hauptversammlung
am 10. Juni 2011 in Kassel:
Demokratie, Freiheit und unitarische Religion
Wir Deutschen Unitarier bekennen uns selbstverständlich zur Demokratie und zu den Menschenrechten, wie sie in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte niedergelegt sind. Jedes Mitglied unserer Gemeinschaft hat die Freiheit, seine persönliche Religiosität zu suchen, zu entwickeln und zu leben, sofern sie nicht im Widerspruch zu unseren Prinzipen, zu den sogenannten „Grundgedanken“ steht. Die Grundgedanken werden im demokratischen Diskurs erarbeitet und nicht von außen vorgegeben. Vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte sehen wir uns besonders verpflichtet, für die demokratische Idee zu werben, sie zu leben und ihre Werte den nachfolgenden Generationen zu vermitteln.
Wir sehen nicht nur in der Menschheit, sondern in der gesamten Natur gleichberechtigte Erscheinungsformen des allumfassenden Lebens. Eine Benachteiligung kultureller, ethnischer oder religiöser Minderheiten steht im Widerspruch zu unseren unitarischen Grundlagen. Wir treten daher aus religiöser Überzeugung auch für Völkerverständigung ein.
Wir Unitarier sind auf dem fortwährenden Weg zu einer individuellen Religiosität; absolute Wahrheiten und Dogmen lehnen wir daher ab. Unitarische Toleranz bietet damit dem Einzelnen viel Freiraum: Wer als Unitarier auf der Suche ist, darf auch Fehler machen und sich dennoch der Gemeinschaft sicher sein, solange er durch seine Äußerungen und Handlungen nicht die Freiheiten und Rechte Anderer verletzt.
Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg fand die unitarische Idee – unterstützt durch die Amerikaner und Engländer – in Deutschland großen Zuspruch. Viele Menschen, die das entsetzliche Wirken des Nationalsozialismus als falsch erkannt hatten, waren auf der Suche nach einer neuen Orientierung und fanden bei uns eine neue religiöse Heimat. Zu unserer Gemeinschaft stießen aber auch solche, die sich nicht von den alten Ideen gelöst hatten.
In der Folge gab es in der Gemeinschaft verschiedene Strömungen, die von links-liberal über national-konservativ bis zu völkisch-rechts reichten. Bereits 1948 begann ein Prozess der Auseinandersetzung, der 1954 zum Austritt einer völkisch-rechten Gruppe führte. Dennoch wurden weiterhin grundlegende inhaltliche und persönliche Konflikte ausgetragen, bis es endgültig zu einer weiteren Abspaltung einer rechtslastigen Gruppe kam, die mit unseren weltoffenen Vorstellungen nicht einverstanden war. Zu unserem großen Bedauern hat sich dieser Prozess bis zum Ende der 80-er Jahre hingezogen.
In unserer unitarischen Gemeinschaft ist kein Platz für antidemokratische, extremistische und neofaschistische Ideologien. Da es auch heute leider noch vereinzelt zu Missverständnissen kommt, möchten wir mit dieser Erklärung unmissverständlich darlegen, wo und wofür wir stehen. Nicht ohne Grund sind die Deutschen Unitarier seit Jahrzehnten anerkannte Mitglieder im Dachverband Freier Weltanschauungsgemeinschaften (DFW) und im Weltbund für Religiöse Freiheit (IARF).