Fragen und Antworten
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Was bedeutet Unitarier?
Der Name Unitarier entstand in der Reformationszeit. Er bezeichnete Menschen, die Gott als Einheit (lateinisch unitas) verehrten und nicht als Dreifaltigkeit (lateinisch trinitas) von Gott-Vater, Gott-Sohn und Heiligem Geist, wie es die christlichen Kirchen lehrten. Diese Unitarier, anfangs auch Antitrinitarier genannt, lehnten es ab, Jesus als Gott anzubeten, und wurden deshalb als Ketzer verfolgt.
Unitarier gibt es in vielen Ländern auf der ganzen Welt. Am weitesten verbreitet sind sie in den Vereinigten Staaten, Kanada, Rumänien, Ungarn und Großbritannien. Wir sind mit diesen anderen Unitariern geistig verwandt und befreundet.
Was verstehen wir unter "Religionsgemeinschaft"?
Religiosität sehen wir in jedem Menschen angelegt. Aus eigenem Erleben, Nachdenken und Tun ist der einzelne Mensch in der Lage, sein Leben mit Sinn zu füllen und seine eigene Religion zu entwickeln. Dabei helfen ihm Impulse von außen. Für uns entsteht eine Religionsgemeinschaft dann, wenn sich Menschen mit gemeinsamen religiösen Überzeugungen in dem Willen zusammenfinden, durch gegenseitige Anregung und Herausforderung die eigene Religiosität zu vertiefen und zu stärken. Mit diesem Religionsverständnis setzen wir uns von dem traditionellen Religionsbegriff ab, der meist ein fest ausgebildetes und verpflichtendes Lehrsystem von Glaubensvorstellungen und Verhaltensregeln bezeichnet.
Was heißt "freien Glaubens"?
Wir sind überzeugt, dass es verschiedene religiöse Wege gibt, von denen keiner Allgemeingültigkeit beanspruchen kann. Ohne dogmatische Einengung sind wir frei für den Glauben, der aus eigener Erkenntnis und Erfahrung wächst. Aus der inneren Übereinstimmung unserer Mitglieder heraus haben wir jedoch gemeinsame religiöse Überzeugungen gewonnen und in unseren Grundgedanken formuliert. Diese Formulierungen sind nicht unabänderlich, sondern können auf Grund neuer Einsichten in einem demokratischen Prozess verändert werden. Sie lassen jedem Einzelnen die Freiheit zu eigenen persönlichen Auffassungen und Entwicklungen.
Woran glauben die Unitarier*innen?
Unitarier stimmen in dem Glauben überein, dass in jedem Einzelnen die Quelle seiner eigenen religiösen Wahrheit verborgen ist. Dieses Vertrauen gründet in der gemeinsamen Überzeugung, dass wir und alles, was ist, aus einem aus sich selbst wirkenden Schöpferischen besteht, das letztlich unbegreiflich und auch nicht mit Worten fassbar ist. Unitarier betrachten darum die gesamte Wirklichkeit als spannungsreiche Einheit, die alles umfasst und durchdringt – Sichtbares und Unsichtbares, Erforschbares und Unerforschliches, Bewirktes und Bewirkendes. Wir bejahen das Leben in seiner Fülle und Vielfalt, auch bei allen Schwierigkeiten angesichts seiner Härten und Widersprüche. Unsere Deutungen schließen wissenschaftliche Erkenntnisse und kritisches Denken ebenso ein wie persönliche Erfahrungen und vertieftes inneres Erleben. Ein umfassendes Lehrsystem mit verpflichtendem Geltungsanspruch oder ein verbindliches Glaubensbekenntnis lehnen wir ab.
Sind Unitarier*innen Christ*innen?
Wir verstehen den Begriff christlich im Sinne seiner historischen Prägung. Als solcher ist er untrennbar verbunden mit der Bibel als verbindlicher Glaubensgrundlage und dem Glauben an den dreieinigen Gott. Beides trifft für uns Unitarier nicht zu.
Unsere Religionsgemeinschaft ist jedoch grundsätzlich auch offen für Menschen, die einer anderen Religionsgemeinschaft angehören, wenn sie mit unseren Grundgedanken übereinstimmen. Nach unserer Auffassung kann nur jeder Mensch für sich selbst seine eigene Religion finden. Das könnte auch eine Kombination aus Unitarismus und Christentum oder einer anderen Religion sein.
Glauben Unitarier*innen an Gott?
Das Wort "Gott" ist ein alter Symbolbegriff für das unauflösliche Geheimnis des Seins. Die Vorstellung von einer überweltlichen Gott-Person, einem menschenähnlichen „Herrscher“ oder „Vater“ wird von uns Unitariern nicht geteilt. Viele Unitarier vermeiden das Wort Gott, weil es in Deutschland meist christlich geprägt ist, und sprechen lieber vom Göttlichen als schöpferischer Urkraft oder umfassender Einheit. Neben solchen pantheistisch geprägten Glaubensvorstellungen vertreten manche Unitarier auch eine atheistische Weltanschauung. Eine einheitliche Sprachregelung gibt es nicht, weil uns die eigene lebendige Erfahrung und persönliche Formulierung wichtig sind.
Haben Unitarier*innen eine eigene Ethik?
Für die menschliche Entfaltung erscheinen uns ethische Grundhaltungen unverzichtbar. Unsere unitarische Ethik beruht nicht auf unabänderlichen göttlichen Geboten oder religiösen Vorschriften, sondern basiert auf dem Vertrauen in die religiöse und sittliche Eigenverantwortung jedes Einzelnen. Dementsprechend geht es uns um die Entwicklung einer persönlich geprägten Ethik, die stetiger Weiterentwicklung bedarf. Unitarische Ethik schließt die Fürsorge für die gesamte Mitwelt ein, denn wir erleben uns als Teil eines allumfassenden Zusammenhangs, der uns trägt und auf den wir Einfluss nehmen.
Wie denken Unitarier*innen über den Tod?
Nach unserer unitarischen Überzeugung ist alles Leben im Kreislauf von Werden und Vergehen aufgehoben. Daher begegnen wir dem Erlöschen des individuellen Lebens mit der gleichen Ehrfurcht wie seinem Entstehen. Gerade das Bewusstsein der zeitlichen Begrenzung gibt dem eigenen Leben besondere Bedeutung. Was vor der Geburt oder nach dem Tod ist, darüber gibt es für uns keine Gewissheit. Wir Unitarier lehnen daher verbindliche Aussagen dazu ab. Viele von uns sind davon überzeugt, dass das menschliche Ich mit seiner Gestalt und seinem Bewusstsein im Tod vergeht, wenngleich Spuren seines Wirkens weiterbestehen.
Haben Unitarier*innen religiöse Autoritäten?
Unitarier vertreten eine „gewachsene“ Religion. Sie beruht auf persönlicher Erfahrung sowie freiem Denken ihrer Mitglieder und entfaltet sich in deren lebendigem Austausch. Es gibt für uns Unitarier keinen Religionsstifter, keine Propheten und keine heiligen Schriften. Wir achten die Bibel und andere religiöse Schriften als wertvolle Dokumente menschlicher Erfahrung. Für uns ist es wichtig, religiöse Überlieferungen fruchtbar zu machen, soweit sie unter heutigen Bedingungen Orientierung im Leben bieten können.
Wollen Unitarier*innen missionieren?
Aufgrund unseres Religionsverständnisses tolerieren wir andersartige religiöse Überzeugungen und lehnen daher jedwede Art der Missionierung ab. Wenn wir uns in der Öffentlichkeit darstellen, tun wir das, weil wir zu geistiger Auseinandersetzung anregen und Gleichgesinnte erreichen wollen.
Sind die Unitarier eine Sekte?
Wir sind eine geistig unabhängige Religionsgemeinschaft, die aufgrund ihres Religionsverständnisses keinerlei dogmatische Glaubensgrundlagen kennt. Aus diesem Grunde sind wir keine Sekte. Eine „reine Lehre“ gibt es für uns nicht, denn wir sind davon überzeugt, dass keine Religion beanspruchen kann, über absolute Wahrheiten zu verfügen.
Feiern Unitarier*innen Gottesdienste?
Wir bringen unsere religiösen Gedanken und Gefühle in Besinnungs- und Feierstunden zum Ausdruck. Dabei gibt es kein festes Ablaufschema, sondern freie Gestaltungsmöglichkeiten, häufig mit künstlerischen Mitteln. Thematisch sind wir ebenfalls frei, knüpfen jedoch gerne an das Naturgeschehen im Jahreslauf an. Auch Feiern zu Familienereignissen werden nach Inhalt und Form frei gestaltet. Gottesdienste im herkömmlichen Sinne feiern wir nicht. Neben den gemeinschaftlichen Feierstunden wirkt die persönliche religiöse Erfahrung und Besinnung als wesentliche Quelle für ein sinnerfülltes und selbstverantwortliches Leben.
Gibt es bei den Unitariern Pfarrer*innen oder Priester?
Die Unitarier – Religionsgemeinschaft freien Glaubens ist eine Laiengemeinschaft. Das bedeutet, dass jedes Mitglied seine eigene religiösen Vorstellungen entwickelt und in unsere Gemeinschaft einbringen kann, auch als Sprecher/in und Gestalter/in von Feierstunden. Dabei sind sie frei in der Wahl ihrer Themen und Gestaltungsformen und nicht an Weisungen gebunden. Wir haben keine religiösen Profis, die mit besonderer Befugnis oder mit Vorrechten ausgestattet sind. Wesentliche inhaltliche, strukturelle und personelle Entscheidungen werden auf unseren Hauptversammlungen diskutiert und demokratisch beschlossen. Das gilt sogar für die Formulierung unserer religiösen Grundsätze in unseren Grundgedanken. Stimmberechtigt ist dabei jedes Mitglied unserer Religionsgemeinschaft.
Zahlen Unitarier*innen Kirchensteuer?
Die Unitarier – Religionsgemeinschaft freien Glaubens ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (K.d.ö.R.) und dürfte daher Kirchensteuer erheben. Da wir jedoch für eine strikte Trennung von Staat und Religion sind, machen wir von diesem Recht keinen Gebrauch. Unser Mitgliedsbeitrag richtet sich nach eigenem Ermessen, wobei wir einen Mindestbetrag ansetzen.
Gibt es unitarischen Religionsunterricht in der Schule?
Als K.d.ö.R. dürfen wir Religionsunterricht anbieten. Wir treten aber für einen neutralen, allgemeinen Religions- und Weltanschauungsunterricht im Klassenverband ein und setzen auf Integration statt Separation in unserer vielfältigen Gesellschaft. Daher erteilen wir keinen unitarischen Religionsunterricht an den Schulen.
Engagieren sich Unitarier*innen im öffentlichen Leben?
Nach unserem unitarischen Verständnis braucht der Mensch Gemeinschaften, die ihn tragen und die er mitgestalten kann. Ein Kerngedanke dabei ist, dass Gemeinschaften durch gegenseitige Abhängigkeiten geprägt sind. Unser Ziel ist es, ein friedliches Zusammenleben zu ermöglichen und unsere Umwelt zu schützen. Dafür treten wir als Gemeinschaft auch öffentlich ein. Wie und wo sich einzelne Unitarier am öffentlichen Leben beteiligen, ist ihre persönliche Entscheidung.
Wie halten Unitarier*innen es mit der Ehe für alle?
Unitarier waren und sind weltweit Vorreiter im Kampf für Menschenrechte und Gleichberechtigung, auch in der LGBT-Bewegung. Die ersten gleichgeschlechtlichen Ehen wurden in unitarischen Gemeinden in den USA geschlossen. Da wir heterosexuelle und homosexuelle Beziehungsformen als gleichberechtigt achten, führen wir Ehefeiern selbstverständlich auch für gleichgeschlechtliche Paare durch.
Wieso findet man im Internet die Aussage, die Unitarier seien eine völkische Sekte?
Dieser Vorwurf kam in den 1980er Jahren auf. Er bestärkte uns darin, die Geschichte unserer Gemeinschaft intensiver aufzuarbeiten. Von den Gerichten wurde der Vorwurf in den 1990er Jahren aufgrund seiner „Substanzarmut” als freie Meinungsäußerung beurteilt. Tatsache ist, dass es in der Phase der Neugründung nach dem Krieg neben liberalen auch völkisch geprägte Mitglieder in der Gemeinschaft gab. Aber schon damals führte das zu heftigen Auseinandersetzungen um die Ausrichtung der Gemeinschaft. Es kam mehrfach zu Austrittsbewegungen und die liberalen Grundhaltungen konnten sich wieder durchsetzen. Mit dem Beschluss der Kasseler Erklärung 2012 und der Namensänderung 2015 in Worms wurde klargestellt, dass völkische Ideen unverträglich sind mit unserem unitarischen Glauben.
Wie kann ich Mitglied werden?
Wenn Sie sich von unseren Fragen und Antworten angesprochen fühlen, sind Sie bei uns herzlich willkommen! Wenden Sie sich an eine Gemeinde Ihrer Wahl oder an unsere Bundesgemeinschaft. Eine Mitgliedschaft in unserer Religionsgemeinschaft setzt voraus, dass Sie mit unseren Grundgedanken übereinstimmen, erlaubt aber darüber hinaus auch andere eigene religiöse Überzeugungen und Bindungen.