Was trägt mich im Leben? Als Unitariererin erlebe ich mich als Teil eines größeren Ganzen. Ich spüre, dass ich wesensmäßig verbunden bin mit dem Leben um mich herum. Als eine Erscheinungsform unter all den vielen und vielfältigen fühle ich mich eingebunden in einen allumfassenden Zusammenhang* – das macht mein religiöses Grundgefühl aus.
Das Bewusstsein dafür und das Erleben davon ist allerdings nicht immer gleich stark da. Im Alltag tritt beides oft zurück. Aber angerührt durch besondere Ereignisse – oder auch, wenn ich mir selbst die Zeit nehme, einmal innezuhalten und mich darauf zu besinnen – , kann dieses Hintergrundgefühl in den Vordergrund treten und mich ganz ausfüllen.
Es kann in der Liebe zu einem bestimmten Menschen aufflammen, aber auch aus der Zugehörigkeit zu einer Gruppe erwachsen. Es kann in der Verbundenheit zu einem Tier, einem Baum oder einer Landschaft spürbar werden. Oft sind es gerade die kargen oder gewaltigen Landschaften – ein Gebirge oder das Meer – die uns erschauern lassen und diese großen Zusammenhänge fühlbar machen. Der viel zitierte Blick in den gestirnten Himmel über mir lässt mich staunen und für die kosmische Dimension sensibilisieren: Dann fühle ich, wie klein ich bin – aber auch, dass ich dazu gehöre als winziger Teil dieses gewaltigen Kosmos.
Und die Sonne, dieser Feuerball, um den unsere Erde kreist, begegnet mir in jedem Feuer, an dem ich sitze oder stehe. Während ich sein Licht und seine Wärme in mich aufnehme, geht mir durch den Sinn: Wie viele Generationen von Menschen vor uns werden schon um so ein Feuer gesessen und gestanden oder gesprungen und getanzt haben! Nicht nur, weil sie das Licht brauchten oder die Wärme, sondern auch, weil sie ein religiöses Fest gefeiert haben. Und selbst wenn sie ganz andere Rituale praktiziert und ganz andere Welterklärungen hatten als wir heute, so bin ich mir doch sicher, dass in ihrem Erleben des Feuers etwas war, was auch ich heute fühlen kann, und dass in ihren Seelen etwas zum Schwingen kam, was heute in mir schwingt. Auch darin erlebe ich Verbundenheit – mit Menschen, die ich gar nicht kenne, die lange vor mir lebten und deren Nachkomme ich bin.
Den Blick in die Flammen gerichtet, tritt alles Andere zurück. Ich vertiefe mich in das Züngeln und Lodern, bis eine große Ruhe entsteht. Dann bin ich ganz bei mir. Dann bin ich mit mir selbst verbunden.
Das alles gehört zu meinen religiösen Gefühlen von tiefer Verbundenheit mit der Welt, in der ich lebe. Ein Gott kommt darin nicht vor. Und doch ist es für mich ein religiöses Gefühl, denn es führt mich für Augenblicke aus meinem Alltag heraus und schenkt mir Momente eines gesteigerten Daseinsgefühls.
* nahezu wörtliches Zitat aus den Grundgedanken: dem zweiten Über unitarischen Glauben.