Der Pfingstsonntag begann für mich, so wie fast jeder Sonntag, mit meinem Gang mit dem Hund. Um acht Uhr herum sind nicht viele Menschen draußen zu sehen, höchstens ein paar wenige ebenfalls mit Hund, und so genoss ich die Ruhe und die Abwesenheit von Radfahrern, die mich sonst zu mehr Aufmerksamkeit veranlassen. Ich ging am begrünten Straßenrand, rechts von mir ein Bach und dahinter ein Zaun, hinter dem sich eine Frau bewegte. Da wir uns als entfernte Nachbarn kennen, grüßten wir uns.
Sie entschuldigte sich dann, dass sie am Pfingstsonntag im Garten arbeite. Sie wolle die vorgezogenen Bohnen setzen, erst jetzt, da sie in Urlaub gewesen sei. Meine spontane Reaktion bestand darin, ihr zu versichern, dass das überhaupt nicht störe, außerdem werde Pfingsten ja eher als Freizeit denn als religiöses Fest wahrgenommen. Und dann sagte sie etwas, was mich erfreute. Sie sagte, welche Freude sie am Wachsen der Pflanzen im Garten habe und wie wohl sie sich bei der Gartenarbeit fühle. Da konnte ich spüren, welch ein glücklicher Mensch vor mir stand und sich des Lebens und Wirkens freute.
Unitarisch ist für mich daran die Tatsache, dass ein Mensch sich mit seiner Umgebung verbunden fühlt, einerseits mit der Natur und Kultur im eigenen Garten, aber auch mit den Menschen, die vorbeikommen und deren Gefühle diese Frau nicht verletzen möchte. Denn als Unitarier glaube ich, dass all die vielfältigen Erscheinungsformen des Lebens eingebunden sind in einen umfassenden Zusammenhang. Und ich erlebe mich als Teil dieses Zusammenhangs, der mich trägt und auf den ich Einfluss nehmen kann (2). Aufgrund meiner Fähigkeit, vielfältige Zusammenhänge zu erkennen und zu bewerten, trage ich allerdings, wie jeder Mensch, für mein Tun und Lassen Verantwortung gegenüber meiner Mitwelt und mir selbst (4). Dabei entfalte ich mich in einem Spannungsfeld zwischen meinen Bedürfnissen nach Eigenständigkeit und nach Zugehörigkeit (5).*
Die erlebte Situation ist für mich deshalb ein Beispiel für Alltagsreligiosität, die unprätentios daherkommt und doch ganz grundsätzlich mit Religion zu tun hat. Die schöne Begegnung am Pfingstsonntag lässt daran erinnern.
* nahezu wortliches Zitat aus den Grundgedanken: Uber unitarischen Glauben (2), Über den Menschen (4) und Über Zusammenleben (5)