Im Namen der Freiheit: Religion, Staat und Gesellschaft im Konflikt?
Zum „Religionspolitischen Kongress“ hatten Bündnis90/Die Grünen im Januar 2015 nach Düsseldorf eingeladen. Damit stellen sie sich als eine der ersten in der Parteienlandschaft der öffentlichen Diskussion zu einem brisanten Thema. Dorothee Jantz, Wolfgang Jantz und Kerstin Salerno nahmen vor Ort teil und verfolgten die Diskussionen mit Interesse.
Obwohl sich in die Fragen und Diskussionen sehr viele partei-internen Belange mischten, wurde auf diesem Kongress deutlich, wie groß die Erwartungshaltungen der einzelnen Weltanschauungsrichtungen an den deutschen Staat sind. Das weltweit einzigartige deutsche Kooperationsmodell, das Religionsfreiheit garantiert und gleichzeitig Privilegien erteilt, wird vom Eröffnungsredner Prof. Dr. Micha Brumlik, emeritierter Professor für Erziehungswissenschaften der Universität Frankfurt und bekennender Jude, grundsätzlich begrüßt. Aus seiner Sicht bildet dieses Modell insbesondere im Bereich der Bildung einen wirksamen Schutz vor religiösem Fundamentalismus. Die staatliche Ausbildung von Theologen erschwere Isolation und Selbstausgrenzung, wie sie in den U.S.A. mit z.T. extremen Ausprägungen vorkomme. Brumlik sowie auch Aiman A. Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland, können sich kein laizistisches Deutschland vorstellen. Mehrfach weisen sie darauf hin, dass es derzeit im Bundesrat für eine Verfassungsänderung hin zur Laizität keine erforderliche Dreiviertel-Mehrheit gäbe. Bettina Jarasch, Mitglied des Bundesvorstands und Berliner Landesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen und Leiterin der Grünen Kommission „Weltanschauungen, Religionsgemeinschaften und Staat“, steht ebenfalls zum kooperativen Modell, mahnt allerdings dringend Reformen an, um der wachsenden Pluralität unserer Gesellschaft Rechnung zu tragen.
Der mutige Ansatz von Bündnis90/Die Grünen, dieses aktuelle, sogar akute, Thema öffentlich zu diskutieren, täuscht nicht darüber hinweg, dass sich auch in Deutschland die „Staatsreligion“, kurz: Kirche, zunehmend verfestigt. Das spiegelt sich auch in den steigenden finanziellen Einnahmen wieder, trotz quantitativ minimierter Mitgliederzahlen auf z.T. unter 50 % der Bevölkerung.
Angesichts dieser Entwicklung zeigt es sich, dass der Status der Körperschaft des öffentlichen Rechts (K.d.ö.R.) zunehmend an Bedeutung gewinnt. Um den Stand der „Religionsfreiheit“ für Deutschland zu erhalten, rückt diese Gesellschaftsform in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Für die Politik heißt das, dass Körperschaften des öffentlichen Rechts eine Stimme haben und mit ihren Ansichten ernst genommen werden. Weltanschauungsgemeinschaften, die „nur“ als e.V. organisiert sind, werden in den Hintergrund geraten. Für die Deutschen Unitarier heißt das, dass wir uns weiterhin um die Anerkennung als K.d.ö.R. bemühen sollten.
Text und Fotos: Kerstin Salerno