Fast 450 Jahre religiöse Freiheit
Die Unitarier – Religionsgemeinschaft freien Glaubens – erinnern an das „Toleranzedikt von Torda“, Siebenbürgen, das am 13. Januar 1568 erstmals im christlichen Europa die Religionsfreiheit aus staatlicher Sicht garantierte. Ausdrücklich als „recepta religio“, also „anerkannte Religion“, wurden die lutherische, calvinistische, katholische und unitarische Religion benannt. Niemand durfte an der Ausübung und Lehre gehindert oder wegen der Zugehörigkeit zu einer dieser Weltanschauungen verfolgt werden. Unitarier weltweit machen auf diese erstmalige Verankerung ihrer Überzeugungen im Staatsrecht aufmerksam.
Das geschichtlich Einzigartige an dieser siebenbürgischen Konfliktlösung war die Offenheit und Gewaltfreiheit, mit der man alle regional vertretenen Varianten der Reformation rechtlich die Existenz ermöglichte. Lutheraner, Calvinisten und Unitarier wurden neben der katholischen Kirche in die siebenbürgische Verfassung aufgenommen. Das Königreich Siebenbürgen gehörte damals zur Habsburger Monarchie.
Vor dem Hintergrund aktueller gesellschaftlicher Debatten rückt die Bedeutung dieses Gesetzesbeschlusses wieder ins Blickfeld der Betrachtungen. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, das in Artikel 4 die Freiheit des Glaubens und weltanschaulicher Bekenntnisse anerkennt und die ungestörte Religionsausübung gewährleistet, ruht letztlich auch auf dem Fundament dieser Anfänge der Religionsfreiheit im 16. und 17. Jahrhundert.
Toleranz gegenüber dem Andersdenkenden ist eine der zentralen Überzeugungen der unitarischen Bewegung weltweit, die sich nicht nur auf religiöse Fragen erstreckt, sondern alle Aspekte des gesellschaftlichen und religiösen Lebens beeinflusst. Sie versteht sich als Gemeinschaft von Menschen, die eigenverantwortliches Denken und Handeln als sehr hohes Gut im zwischenmenschlichen Miteinander erachten. Dieser schöpferische Gedanke der Vielfalt wird von vielen Gemeinden in Deutschland und Europa gepflegt. Eine starke Ausbreitung erfährt der unitarische Toleranz-Gedanke in den U.S.A., wo viele Gemeinden der Unitarier beheimatet sind. Seit 1995 verbindet die ICUU (International Council of Unitarians and Universalists) als Dachverband die Unitarier in aller Welt, von den Khasi Hills in Indien bis nach Südafrika, und ermöglicht so einen verstärkten Einsatz für religiöse Toleranz. Die Unitarier - Religionsgemeinschaft freien Glaubens - ist Gründungsmitglied der ICUU.
Aus diesem Toleranzgedanken heraus sieht die unitarische Religionsgemeinschaft es als dringend erforderlich an, einen modernen Religionsunterricht einzurichten. Er muss ein „Religionskunde-Unterricht“ sein, der alle Religionen und Weltanschauungen grundsätzlich gleichberechtigt darstellt und auf ihre Vereinbarkeit mit demokratischen Grundwerten untersucht. Dafür ist es notwendig, einen Anforderungskatalog zu erstellen, der Aspekte wie "Toleranz gegenüber anderen", "Respekt vor der Religionsfreiheit" und "Gleichbehandlung der Geschlechter" umfasst und überprüfbar macht.