Aus der Rede zum Neujahrsempfang am 6. Januar 2019
Eine unitarische Religionsgemeinschaft wie die unsere will einen Rahmen geben für die Entwicklung der individuellen Religion ihrer Mitglieder. Das verbindende Element ist weniger „der Glauben an etwas“ sondern „das Streben nach etwas“. Dieses Streben zielt auf die Entfaltung der persönlichen Religiosität und das Sich-Annähern an einen individuellen Lebenssinn.
Die Vielzahl der unterschiedlichen religiösen Vorstellungen innerhalb einer unitarischen Gemeinschaft schafft den Nährboden für die Entwicklung der persönlichen Religion. Wichtig ist dabei, dass sich die entwickelnde Religion des Einzelnen nicht mit religionswissenschaftlichen Methoden ableiten lassen muss. Jeder kann innerhalb seines Umfeldes nach seinen Möglichkeiten an der „individuellen Religion“ arbeiten. Er bzw. sie muss dazu keine religionswissenschaftlichen Lehrbücher benutzen, keine Theologie oder Philosophie studieren.
Der Rahmen der Gemeinschaft wird gebildet durch ihre gleichgesinnten Mitglieder. Sie sind das Umfeld, in dem sich der Einzelne entfalten darf. Innerhalb dieser Gemeinschaft sollte der Einzelne Schutz finden und - im besten Fall - Geborgenheit. Die Gemeinschaft bietet das Umfeld, in dem er Nachsicht und Verständnis erwarten darf. Hier kann er sich ausprobieren und Anregungen geben und Anregungen erhalten.
Was braucht es dafür?
Zunächst einen respektvollen Umgang: Jeder hat einen anderen Blickwinkel und Standpunkt, der gleichwertig mit allen anderen ist (solange er seinerseits sich nicht über andere stellt). Es gibt nicht „die“ Wahrheit. Und kaum etwas in dieser Welt ist per se richtig oder falsch.
Zum Zweiten den offenen Austausch: Den gibt es, wenn ich ehrlich von mir selbst spreche und wenn ich Interesse an dem Anderen habe und auch zeige.
Grundlage von allem ist Vertrauen. Ich bin davon überzeugt, dass keiner von uns ein doppeltes Spiel spielt. Niemand redet und handelt strategisch , um persönliche Interessen zu verfolgen. So, wie wir alle etwas für uns selbst suchen und mitnehmen wollen, so wünschen wir uns für die unitarische Idee und für unsere mittlerweile kleine Gemeinschaft eine gute Zukunft. Der eine sieht sie in der Eigenständigkeit auf der lokalen Ebene, der andere in der Zusammenarbeit auf größerer, vielleicht europäischer Ebene. Aber jeder meint es aufrichtig und in bester Absicht. Geben wir anderslautenden Gerüchten und Unterstellungen keine Chance.
Treten wir ein für diesen geschützten Raum des Verständnisses, des Vertrauens und des offenen Austausches – auch im Neuen Jahr! - Gerhard Puhlmann